Mit den Toten leben
Weisheit und Liebe für den Alltag
Rudolf Steiner
Was die Geisteswissenschaft über das Leben der Toten und über das Leben mit den Toten zu sagen hat, ist einzigartig. So viel Wahres, so viel Schönes und Gutes ist in diesen Vorträgen enthalten, dass die Seele im Angesicht des Todes wahren Trost finden kann.
'Wenn wir uns desjenigen erinnern, was das Wesen einer Seele ist, die mit uns verbunden war und durch die Pforte des Todes gegangen ist, dann haben wir den Gedanken an diesen Toten. Aber er selbst, der Tote, ist da, ist in unmittelbarer Gegenwart da, ist ein reales Wesen der geistigen Welt..'
Rudolf Steiner (im 1. Vortrag)
Info van de uitgever
[Archiati Verlag, 2009]
Vorwort
Eine der wichtigsten, heiß umstrittenen Fragen unserer Zeit ist die Frage der Beziehung zwischen Naturnotwendigkeit und menschlicher Freiheit. Die neurobiologischen Forschungen können immer überzeugender beweisen, dass
alle Phänomene des Bewusstseins zumindest in einer gewissen Abhängigkeit von den Vorgängen im Gehirn stehen.
Rudolf Steiner sieht die Sache vom Gesichtspunkt der Evolution an. Die Art und Weise wie Gehirn und Bewusstsein aufeinander wirken, ist selbst in Entwicklung begriffen. Das Wesen der Freiheit liegt darin, dass es jedem Menschen
freisteht, an den Inhalten seines Bewusstseins, an seinem Denken so zu arbeiten, dass es immer schöpferischer, immer «gehirnfreier» werde. Weil das aber jedem freisteht, muss es keiner tun. Das Versäumen dieses Freiheitlichen verleiht den Naturkräften immer mehr Gewalt, immer mehr Bestimmungskraft auf den Geist des Menschen.
Der Mensch wird am Ende seiner Entwicklung als bloßes Resultat, als bloße Wirkung von Naturkräften dastehen, wenn er systematisch alles Schöpferische seines Geistes unterlässt.
Allerdings ist es nicht in einem einzigen Leben möglich, das Gesamtvermögen des freien Schaffens rückgängig zu machen. Dazu bedarf es einer längeren Entwicklung, die sich über mehrere Lebensläufe erstreckt. Dasselbe gilt für die Verwirklichung des Gesamtvermögens der Freiheit.
Die Wahl der Freiheit wird vom einzelnen Menschen getroffen, ob er sich dies bewusst macht oder nicht. In jedem Augenblick der Entwicklung steht es dem Individuum frei, mehr oder weniger Wachsamkeit im Denken zu üben, mehr
oder weniger Willenskraft im Handeln zu entfalten. In der ersten Hälfte der Entwicklung wurde der Mensch von Natur und Kultur geprägt und getragen; in der zweiten Hälfte liegt es zunehmend in der Freiheit des Individuums, alles
Gruppenhafte zum Werkzeug einer einzigartigen, ganz individualisierten
Schöpfung zu machen.
Diese Vorträge stellen einen wichtigen Beitrag für die positive Entwicklung des Menschengeistes dar. Die Besinnung auf die Verstorbenen, auf die sogenannten Toten, hilft den auf der Erde Lebenden, den Menschen als reinen Geist
zu erfassen. Jenseits des Todes erlebt der Mensch nichts mehr von dem, was der Welt der Materie angehört: keinen Körper, keine sinnliche Wahrnehmung, keine Mahlzeit, keinen Händedruck. Mit den Toten leben heißt, den eigenen
Geist immer mehr von den Bedingtheiten der Welt der Materie zu befreien.
Auf ergreifend erschütternde Weise schildert Rudolf Steiner, was unsere Gedanken an die Toten für diese bedeuten. Sie sind für die Verstorbenen, was für uns die Welt
der Kunst, die Welt des Schönen ist. Neben der Welt der Natur schafft der Mensch in seiner Fantasie, in seiner Vorstellungskraft eine andere Welt dazu, die nicht sein muss, ohne die er aber nicht gut leben kann. Auch unsere Erinnerung an
die Toten muss nicht sein, aber die Verstorbenen sind dankbar für jeden unserer Gedanken an sie. Diese machen für sie «schön» die Welt des Geistes, die nicht weniger als die Welt der Natur von Notwendigkeiten durchtränkt ist.
Wenn wir Lebenden etwas tun, leben wir in unserem eigenen Handeln, in dem, was wir beabsichtigen und erreichen wollen. Die Toten leben hingegen in den Wirkungen
ihrer vergangenen Taten: Nicht in dem, was sie selbst gewollt oder vollbracht haben, sondern in dem, was das von ihnen Gewollte und Getane in anderen verursacht hat. Sie leben, um es geisteswissenschaftlich zu sagen, «in der Welt der Wirkungen». Die Übung dieser Kunst, sich in andere hineinzuversetzen, erzeugt im Leben nach dem Tod die Kräfte des Karmas, die es dem Menschen ermöglichen, erneut auf die Erde zu kommen, um das alles auszugleichen, was er durch sein Tun verursacht hat.
Dies erklärt auch einen anderen, wichtigen Gedanken, der in diesen Vorträgen ausgeführt wird. Im Leben auf der Erde stehen wir wie in einem Mittelpunkt und entzünden das Ich-Bewusstsein durch die Wahrnehmungen, die von
uns überall zur Peripherie hindringen. Nach dem Tod lebt der Mensch umgekehrt «außer sich»: Nicht äußerliche Wahrnehmungen erlebt er, sondern wie er selbst von geistigen Wesen wahrgenommen wird. Da erlebt er, was er in der geistigen Welt gilt, was er geistig ist. Er nimmt wahr, wie 12 die Engel auf ihn schauen, und dieser Blick vermittelt ihm die tiefste, objektivste Selbsterkenntnis.
Während des ersten Weltkrieges waren die Fälle jung sterbender Menschen besonders zahlreich. Rudolf Steiner geht auch auf dieses Mysterium ein und schildert aus seiner Forschung im Geistigen, wie die Lebenskräfte jung Verstorbener,
die darauf verzichtet haben, sich in der Welt der Materie auszuleben, Keime einer geistigen Entwicklung darstellen, die den Idealen entsprechen, die Menschen auf der
Erde zu immer neuen Taten befl ügeln können.
Pietro Archiati
im Winter 2008/09
Mit den Toten leben
Weisheit und Liebe für den Alltag
Rudolf Steiner · alles van deze auteur
€ 10.00